Cortisol

Basic
Hier erfährst du die Grundlagen – einfach und verständlich erklärt.
Alternative Namen von Cortisol
Neben der Schreibweise mit C ist im Deutschen auch die Schreibweise mit K üblich, also: Kortisol. Umgangssprachlich wird es oft als Stresshormon bezeichnet.
Die synthetische Form, die als Arzneimittel verwendet wird, hat die offizielle Bezeichnung “Hydrocortison” – und auch hier gibt es die alternative Schreibweise mit K: Hydrokortison. Davon abgeleitet hat sich im medizinischen Bereich auch die verkürzte Bezeichnung “Cortison” eingebürgert, man spricht beispielsweise häufig von “Cortisontherapie”. Das ist leider etwas irreführend, denn “Cortison” ist eigentlich die Bezeichnung für eine biologisch unwirksame Vorstufe des Wirkstoffs.1
Die chemische Summenformel von Cortisol ist C21H30O5. Mit Blick auf die Strukturformel kann man auch die zugegebenermaßen sehr unhandliche, aber höchst präzise chemische Bezeichnung 11β,17α,21-Trihydroxypregn-4-en-3,20-dion verwenden.2
Was ist Cortisol?
Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon und der wichtigste Vertreter der endogenen (d.h. vom Körper selbst produzierten) Glucocorticoide. Die Glucocorticoide wiederum zählen zu den Steroidhormonen.3
Die körpereigene Cortisolproduktion in der Nebenniere liegt bei 8-25 mg pro Tag.4 Manche Lehrbücher nennen auch höhere Werte von 20-25 mg pro Tag.5
Cortisol ist essentiell für die Aufrechterhaltung der physiologischen Körperfunktionen. Bekannt ist es jedoch vor allem für seine Funktion als “Stresshormon”, das uns eine schnelle Reaktion auf externe Reize ermöglicht, bei chronischem Stress aber zu Problemen führen kann.
Welche Funktion übernimmt Cortisol im Körper?
Das Hormon ist rund um die Uhr an der Steuerung verschiedener Körperfunktionen beteiligt:
- Es regelt unseren Kohlenhydrat-, Eiweiß- & Fettstoffwechsel und beeinflusst auch den Wasser- & Elektrolythaushalt, u.a. hemmt es die Calciumaufnahme im Darm.
- Es beeinflusst den Prozess der Blutbildung (insb. den Anteil an Leukozyten, Lymphozyten und Granulozyten) und den Blutdruck.
- Es wirkt auf Bindegewebe, Knochenstoffwechsel sowie die Pigmentierung von Haut- und Schleimhäuten.
- Es wirkt auf das zentrale Nervensystem und kann somit auch psychische Veränderungen hervorrufen.6
Am bekanntesten ist sicherlich die Funktion als “Stresshormon”: Wenn unser Körper durch Umweltreize (Stressoren) herausgefordert wird, kann er eine Reihe neuronaler und endokriner Prozesse aktivieren, um die Stresssituation zu bewältigen. Dazu zählt auch die Ausschüttung von Cortisol, das an der Mobilisierung körpereigener Energieressourcen beteiligt ist, insbesondere an der Gluconeogenese. Dabei wandelt die Leber verschiedene Aminosäuren in Glucose umgewandelt, die ins Blut gelangt und den Zellen als schnelle Energiequelle dient.7 Zudem wirkt das Hormon auf die Rezeptoren verschiedener Hirnregionen und beeinflusst so unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen und unser Verhalten in Stresssituationen.8
Wird Cortisol als Medikament gegeben, macht man sich vor allem seine entzündungshemmende, antiallergische und immunsuppressive Wirkung zunutze. Zu beachten sind sowohl die Wirkung auf die körpereigene Hormonsynthese wie auch unerwünschte Einwirkungen auf die oben beschriebenen Körperfunktionen.9
Wie wird Cortisol im Körper reguliert?
Die Synthese dieses Hormons wird über die sog. HHN-Achse aus Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren gesteuert (alternativ auch als HPA-Achse bezeichnet, nach dem engl. Begriff hypothalamic–pituitary–adrenal axis). Die Regulation erfolgt über drei Mechanismen:
- Basis-Rhythmus: Die Cortisol-Ausschüttung erfolgt ungefähr im 90-Minuten-Takt.
- Zirkadiane Rhythmik: Die Frequenz und Menge der rhythmischen Ausschüttung variiert im Tagesverlauf - siehe auch: Wann ist mein Cortisol-Spiegel am höchsten und wann am niedrigsten?"
- Stress-Adaptions-Mechanismus: Sowohl körperliche als auch mentale/emotionale Belastung kann den zirkadianen Rhythmus beeinflussen und den Wert in die Höhe schießen lassen.10
Die Aktivierung der HHN-Achse erfolgt dabei in mehreren Schritten: Im Gehirn, genau genommen im Hypothalamus, wird CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) freigesetzt, das die Hypophyse bzw. Hirnanhangdrüse zur Freisetzung von ACTH (adrenocorticotropes Hormon) anregt. Dieses wiederum stimuliert die Cortisol-Synthese in der Nebennierenrinde. Ein ausreichend hoher Spiegel führt dann über mehrere negative Rückkopplungsschleifen auf der HHN-Achse zum Herunterregeln der CRH- und ACTH-Freisetzung und damit auch die weitere Synthese.11
Zusätzlich gibt es auch lokale Regelungsmechanismen: Im Blutplasma kann ein mehr oder weniger großer Teil des Gesamt-Cortisols an andere Proteine wie Transcortin oder Albumin gebunden und damit temporär “deaktiviert” werden. Zielorgane, wie beispielsweise die Niere, können das Hormon in Cortison umwandeln. Sogar innerhalb einzelner Zellen finden sich verschiedene Regelmechanismen.12
Wie wirkt sich Cortisol auf meine Stimmung und mein Verhalten aus?
Das in akuten Stresssituationen ausgeschüttete Hormon beeinflusst die Erregbarkeit mehrerer Hirnregionen. Die Amygdala wird aktiviert, Angst und Wachsamkeit werden gesteigert, alle Aufmerksamkeit richtet sich auf den Stressor, um eine schnelle Reaktion zu ermöglichen – allerdings handeln wir dann oft unüberlegt und nach festen, eingefahrenen Mustern. Denn der Cortisol-Schub hemmt zugleich die kognitive Tätigkeit im dorsolateralen Cortex – fürs Denken ist jetzt keine Zeit! Einige Stunden später wird dieser Hirnbereich dann reaktiviert, die neuralen Ressourcen werden auf flexibles und zielorientiertes Handeln gerichtet und so erscheint die ursprüngliche Stresssituation oft in ganz neuem Licht.13
Auch der Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis ist unter Einwirkung des Stresshormons beeinträchtigt – die Konsolidierung neuer Gedächtnisinhalte hingegen wird positiv beeinflusst.14
Akut erhöhte Cortisol-Level können auch euphorisierend wirken und das ‘Sensation Seeking’ stimulieren , also das Bedürfnis nach neuen Eindrücken sowie die Bereitschaft, dafür Risiken in Kauf zu nehmen. Dies gilt besonders für Menschen, die eine vergleichsweise starke hormonelle Stressreaktion zeigen, und für Männer eher als Frauen.15
Das Stresshormon ist auch an der Appetitkontrolle beteiligt: Bei akutem Stress wird der Appetit durch Glucocorticoide unterdrückt – zuerst gilt es, den Stressor zu bewältigen! Danach aber müssen die Energiereserven aufgefüllt werden: Nun verstärkt Cortisol das Nahrungssuchverhalten, insbesondere “Wohlfühlessen” steht jetzt hoch im Kurs und zudem wird durch die Wirkung auf das Enzym Lipase die Fetteinlagerung erhöht.16
Was passiert, wenn ich zu viel Cortisol habe?
Ein erhöhter Cortisol-Spiegel am Abend kann das Einschlafen erschweren und sowohl Schlafdauer als auch Schlafeffizienz mindern.17
Dauerhaft erhöhte Werte, beispielsweise infolge von chronischem Stress, können zur Dysregulation der HHN-Achse beitragen (siehe: Wie wird Cortisol im Körper reguliert?) und sogar die Hippocampus-Neuronen schädigen. Dies gilt als einer der Mechanismen für die Entstehung von Depressionen, die häufig mit einem erhöhten Cortisol-Spiegel und verändertem Tagesrhythmus einhergehen (siehe: Wann ist mein Cortisol-Spiegel am höchsten und wann am niedrigsten?).18 Typisch ist insbesondere die Verbindung von erhöhter Reizbarkeit, emotionaler Labilität und Depressionen.19
Erhöhte Cortisolwerte sind zudem ein Risikofaktor für das Herz-Kreislauf-System, sie können zu Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten (Hyperlipidämie) und Atherosklerose beitragen. Zudem hemmt chronischer Stress die Immunantwort, die vermutlich über das Herunterregeln von zellulären Hormon-Rezeptoren führt, wodurch die Zelle nicht mehr so gut auf entzündungsfördernde Zytokine reagieren kann.20
Ein pathologisch erhöhter Cortisol-Spiegel, also ein sogenannter Hyperkortisolismus, kann auch durch Medikamente (Hydrocortison-Therapie) oder organische Erkrankungen (Cushing-Syndrom) begründet sein. Neben körperlichen Symptomen (Adipositas, Muskelschwäche, Gesichtsrötung, Dehnungsstreifen auf der Haut und Akne, bei Frauen auch Hirsutismus und Menstruationsstörungen) können auch psychische Symptome auftreten. Hier ist in jedem Fall eine ärztliche Betreuung erforderlich.21
Was passiert, wenn ich einen Cortisolmangel habe?
Ein niedriger Cortisol-Wert am Morgen kann sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken: es fehlt an Energie, gefühlt erfordert alles große Anstrengung, auch das sexuelle Interesse leidet, dazu können auch Kopfschmerzen auftreten.22
Dauerhaft zu niedrige Werte können auf die Psyche wirken, typisch ist hier die Kombination aus erhöhter Reizbarkeit, Apathie und Depression.23 Auch hier wird die Dysregulation der HHN-Achse, beispielsweise durch Kindheitstraumata24, ggf. auch PTSD25, als beitragender Faktor diskutiert.
Ein krankhaft niedriger Hormonspiegel (Hypokortisolismus) entsteht aus chronischer Unterfunktion der Nebennierenrinde. Die Ursache liegt entweder im Organ selbst (primäre Nebennierenrindeninsuffizienz, insbesondere Morbus Addison) oder in dessen mangelnder Stimulierung durch Hypophyse oder Hypothalamus (sekundäre NNR-Insuffizienz). Zu den diagnostisch hinweisenden Symptomen zählen Schwindel, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Erbrechen und Hypoglykämie (Unterzuckerung). Hier ist unbedingt ärztliche Betreuung erforderlich, um lebensbedrohliche Krisen zu vermeiden.26
In der Alternativmedizin gibt es auch die Diagnose der Nebennierenerschöpfung (adrenal fatigue) infolge von chronischem Stress, die mit Symptomen wie Müdigkeit, Schlafstörungen und Koffeinabhängigkeit einhergehen soll. Aus Sicht der Schulmedizin handelt es sich jedoch um eine “pseudo-endokrine Störung”, die Diagnose mittels Scoring-System und Speicheltest sei unzureichend und nicht evidenzbasiert, die Behandlungsratschläge (sofern sie über allgemeine Empfehlungen zur gesunden Lebensführung hinausgehen) zum Teil gesundheitsgefährdend.27
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Dieser Abschnitt vertieft dein Wissen und gibt dir detailliertere Einblicke.
Wann ist mein Cortisolspiegel am höchsten und wann am niedrigsten?
Der Cortisol-Spiegel unterliegt charakteristischen Schwankungen im Tagesverlauf: 80 % der Tagesproduktion entfallen auf die sog. Ruhesekretion zwischen 4 und 8 Uhr morgens.28 Etwa 10 Minuten nach dem Aufwachen und dem Lichtreiz beim Augenöffnen folgt die sog. Cortisol-Aufwach-Reaktion (cortisol awakening response, CAR) mit einem steilen Anstieg von 58-156 %.29
Dementsprechend ist der Hormonspiegel früh morgens am höchsten, sinkt dann im Tagesverlauf steil ab und liegt spätabends nahe Null.30
Eine Veränderung dieser zirkadianen Kurve kann sich sowohl durch Veränderungen des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus, beispielsweise Reisen in andere Zeitzonen, als auch durch verschobene Schlaf-Wach-Muster, beispielsweise bei Schichtarbeit ergeben.31 Auch chronischer Stress kann die normale Kurve verändern: der morgendliche Anstieg ist geringer, doch im Tagesverlauf sinkt die Kurve weniger steil ab, sodass der abendliche Wert erhöht bleibt.32
Wie kann ich meinen Hormonspiegel beeinflussen?
Die Frage, ob und wie man den eigenen Cortisolspiegel beeinflussen kann, wird meist im Kontext von Stress und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken gestellt.
Studien zeigen, dass ein Stressbewältigungstraining helfen kann, die hormonelle Reaktion auf Stressoren zu verringern. Inhalt solcher Trainings ist erstens die Vermittlung kognitiver Strategien zur Stressbewältigung (beispielsweise positive Selbstinstruktion), zweitens die Stärkung sozialer Kompetenzen (beispielsweise verbesserte Ärgerregulation) und drittens das Einüben von Entspannungstechniken.33 Dazu zählen unter anderem progressive Muskelentspannung34 und Meditation35, aber auch Lachyoga36 kann den Cortisolspiegel bei akutem Stress effektiv senken.
Sportliche Betätigung kann in beide Richtungen wirken: Bei mäßiger Belastung wird der Cortisolwert gesenkt, eine mittlere bis starke Belastung dagegen bedeutet physischen Stress und lässt den Wert steigen. Durch regelmäßiges Training kann sich der Körper jedoch entsprechend anpassen, d.h. bei trainierten Sportlern ist der belastungsbedingte Anstieg geringer als bei Untrainierten.37
Ein einfaches Beispiel für mäßige Belastung: Spaziergänge. Einige Studien verweisen darauf, dass das Spazierengehen in grüner Umgebung eine Cortisol-Reduktion von 53 % erreichen könne, während reine Stadtspaziergänge den Wert nur um 37 % sinken lassen, doch dieser Effekt konnte nicht durchgängig bestätigt werden.38
Berührungen wirken ebenfalls: So zeigen Studien, dass die Stressreaktion nach einer kurzen Schultermassage durch den Partner deutlich geringer ausfällt.39 Auch Umarmungen haben diese Wirkung – es hilft sogar, wenn man sich selbst umarmt oder die Hand aufs Herz legt!40
Auch regelmäßige Saunagänge, am besten in der Trockensauna, können den Cortisol-Spiegel messbar senken.41
In Bezug auf das Intervallfasten ist die Studienlage uneinheitlich, was die Höhe des Cortisol-Spiegels angeht. Eine Beeinflussung des zirkadianen Rhythmus scheint jedoch recht sicher gegeben.42
Welche Lebensmittel können meinen Cortisol-Spiegel beeinflussen?
Kaffeetrinker aufgepasst: Koffein erhöht die Cortisol-Synthese, sowohl in Ruhephasen wie auch unter Stress. Bei täglichem Koffeinkonsum ist diese Reaktion abgeschwächt, aber dennoch vorhanden.43 Zudem zeigt sich bei regelmäßigem Koffeinkonsum eine gesteigerte hormonelle Reaktion unter Stress.44
Auch Alkohol führt akut zu einer Stress-ähnlichen Cortisol-Antwort; der dauerhafte Konsum kann zur Dysregulation der HHN-Achse beitragen.45
Größere Mengen an Lakritz können den Cortisol-Spiegel ebenfalls steigen lassen: Die in der schwarzen Süßigkeit enthaltene Glycyrrhizinsäure hemmt die Umwandlung des Hormons zu Cortison und verschiebt dadurch das Mengenverhältnis der beiden Stoffe.46
Eine ausgewogene, vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung hingegen kann dazu beitragen, stressbedingt erhöhte Cortisol-Werte zu senken. Besonders wichtig: Vitamin C47, Vitamin D48 und Magnesium49.
Wie verändert sich Cortisol mit dem Alter?
In älteren Lehrbüchern findet man noch die Aussage, das Alter habe keinen signifikanten Einfluss auf das Cortisol.50
Aktuellste Studien hingegen verweisen auf die gesteigerte Aktivität der HHN-Achse im Alterungsprozess: Der Mittelwert des Serum-Cortisols ist insgesamt höher und auch das Muster ist verändert: die morgendliche Cortisol-Aufwach-Reaktion ist schwächer, der Abfall der Kurve im Tagesverlauf flacher und der abendliche Cortisolspiegel erhöht. Zudem ist die Zahl und Sensibilität der Cortisol-Rezeptoren vermindert.51
Wie beeinflusst Schlaf meinen Cortisol-Spiegel?
Die Cortisolausschüttung folgt im Tagesverlauf einem charakteristischen Muster (siehe: Wann ist mein Cortisol-Spiegel am höchsten und wann am niedrigsten?). Dieses Muster kann durch individuell verschobene Schlaf-Wach-Muster, beispielsweise durch Schichtarbeit und insbesondere irreguläre Schichten, beeinflusst werden.52 Auch die nächtliche Schlafdauer sowie Schlafstörungen können das Muster beeinflussen: So ist das Absinken der Kurve im Tagesverlauf flacher und der abendliche Cortisol-Spiegel entsprechend höher.53
Ein erhöhter Cortisol-Spiegel am Abend steht wiederum in engem Zusammenhang mit verkürzter Schlafdauer und verringerter Schlafeffizienz.54 Es besteht also eine Wechselbeziehung, die auch zu einem Teufelskreis aus Schlafstörungen und Dysregulation der HHN-Achse führen kann.55
Welche falschen Mythen gibt es über Cortisol?
Auch Cortisol zählt zu den biochemischen Stoffen, zu denen diverse Halbwahrheiten oder auch gänzlich falsche Behauptungen kursieren. Auf diese Mythen solltest Du nicht hereinfallen:
- “So wirst Du Dein Cortisol-Gesicht (bzw. Deinen Cortisol-Bauch) los!” – Ein aktueller Influencer-Trend, der gerade dadurch überzeugend wirkt, dass er einiges aufgreift, was wir über Cortisol wissen. Tatsächlich wirkt das Hormon auch auf den Stoffwechsel. Tatsächlich kann ein krankhaft erhöhter Hormonspiegel (Hypercortisolismus) auch Gesicht und Figur verändern, doch solche Erkrankungen (beispielsweise Cushing-Syndrom oder Nebennierentumor) sind sehr selten. Das oft selbst diagnostizierte “Cortisol-Gesicht” dürfte, ebenso wie der “Cortisol-Bauch”, in den meisten Fällen Übertreibung sein.56
- “Cortisol-Detox” – Eine häufige Empfehlung nach Selbstdiagnose von “Cortisol-Gesicht” und “Cortisol-Bauch”. Ggf. empfohlene “Detox-Präparate” sind grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten. Die als “Cortisol-Detox” beworbenen Verhaltensweisen (insb. regelmäßiger und ausreichender Schlaf, Sport und Entspannungstechniken, siehe: Wie kann ich meinen Hormonspiegel beeinflussen?) wirken tatsächlich stressmindernd und damit regulierend auf den Cortisol-Spiegel. Doch anders als der Begriff “Detox” suggeriert, findet hier keine “Entgiftung” statt, denn Cortisol ist keine giftige Substanz, sondern ein lebenswichtiges Hormon. Echter Hypercortisolismus ist nicht mit bloßer Stressreduktion heilbar, sondern erfordert eine ursachenspezifische Therapie.
Expert
Hier geht es um fortgeschrittene Konzepte für ein tiefgehendes Verständnis.
Welche Stoffe sind an der Bildung von Cortisol beteiligt?
Der Ausgangsstoff für die Biosynthese von Cortisol ist Cholesterin, das in Lipidtröpfchen im Zellplasma gespeichert ist. Daraus wird, katalysiert durch das Enzym Cholesterindesmolase, zunächst Pregnenolon produziert – eine gemeinsame Vorstufe verschiedener Steroidhormone – und in einem weiteren Umwandlungsschritt dann in das Steroidhormon Progesteron umgewandelt. Unter Mitwirkung des Enzyms 17-Steroidhydroxylase wird Progesteron dann in 17α-Hydroxyprogesteron umgewandelt, das dann in zwei aufeinanderfolgenden Hydroxylierungsschritten über die Zwischenstufe 11-Desoxycortisol zu Cortisol wird.57
Welche Stoffe entstehen aus Cortisol?
Der Abbau von Cortisol findet in der Leber statt. Im ersten Schritt erfolgt eine Hydrierung, also die chemische Anlagerung von Wasserstoff-Atomen. So entsteht zunächst Dihydrocortisol, dann Tetrahydrocortisol, das anschließend in Glucuronid- oder Sulfatester umgewandelt wird.
Ein Teil des Cortisols wird in der Leber auch in Cortison umgewandelt, das seinerseits schnell zu Tetrahydrocortison-Glucuronid reduziert wird. Die wasserlöslichen Abbauprodukte werden dann über den Urin ausgeschieden.
Ein kleiner Teil des Cortisols wird in der Leber in 17-Keto-Steroid-Derivate umgewandelt, die größtenteils an Sulfat gebunden und ebenfalls im Urin ausgeschieden werden.58
Wissenschaftliche Quellen
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- Hanns Kaiser, Hans K. Kley: Cortisontherapie. Corticoide in Klinik und Praxis. Thieme 2002, S. 10. ↩
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- Hanns Kaiser, Hans K. Kley: Cortisontherapie. Corticoide in Klinik und Praxis. Thieme 2002, S. 12. ↩
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- Linda Grosser et al.: Cortisol and shiftwork: A scoping review. In: Sleep Medicine Reviews 2022, Vol. 64, https://doi.org/10.1016/j.smrv.2021.101581. ↩
- Meena Kumari et al.: Self-Reported Sleep Duration and Sleep Disturbance Are Independently Associated with Cortisol Secretion in the Whitehall II Study, In: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2009, Vol. 94 (12), S. 4801–4809, https://doi.org/10.1210/jc.2009-0555. ↩
- Yang Yap et al.: Daily associations between salivary cortisol and electroencephalographic-assessed sleep: a 15-day intensive longitudinal study, In: Sleep 2024, Vol. 47 (9), https://doi.org/10.1093/sleep/zsae087. ↩
- Raphael J. Dressle et al.: HPA axis activity in patients with chronic insomnia: A systematic review and meta-analysis of case–control studies. In: Sleep Medicine Reviews 2022,, Vol. 62, https://doi.org/10.1016/j.smrv.2022.101588. ↩
- Walter Siegenthaler, Hubert E. Blum: Klinische Pathophysiologie. Thieme 2006, S. 337-339 (Hypercortisolismus) sowie https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/cortisol-detox-warum-social-media-hype-medizinisch-fragwuerdig-ist-1221571.html ↩
- Georg Löffler, Petro E. Petrides: Biochemie und Pathobiochemie. Springer 2003, S. 882-883. ↩
- Georg Löffler, Petro E. Petrides: Biochemie und Pathobiochemie. Springer 2003, S. 882-883 SOWIE William Francis Ganong: Medizinische Physiologie. Springer 1971, S. 348-50. ↩